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Dienstag, 15. August 2017

Libyen

Gestern kam in Kulturzeit ein Bericht von Michael Obert über Libyen. Auf der ARD-Seite ttt fand ich den verschriftlicht:

Der Reporter Michael Obert war in der Nähe von Tripolis unterwegs mit hochbewaffneten, selbsternannten Milizen, die mit aufgerüsteten Küstenkontrollbooten tausende Flüchtlinge aus den Booten der Schlepper holen und zurück in libysche Lager zwingen. Im Auftrag der EU. Eine Million Flüchtlinge und Migranten afrikanischer Herkunft sitzen nach Schätzungen der Bundesregierung aktuell an der libyschen Mittelmeerküste fest. Hunderttausende von ihnen wollen in diesem Sommer auf Schlepperbooten nach Europa. Ihre Lage ist desaströs. KZ-ähnliche Verhältnisse herrschten in den Lagern, so ein deutscher Botschafter. Nachdem die internationale Gemeinschaft vor sechs Jahren Diktator Gaddafi weggebombt hat, gibt es eine international anerkannte Übergangsregierung in Tripolis, eine selbsternannte in Tobruk im Osten des Landes, konkurrierende Armeen und den Islamischen Staat, der mehrere Emirate ausgerufen hat.

"Libyen ist für mich die Hölle"

Michael Obert wurde nun Augenzeuge des Dilemmas, in dem die europäische Interessenspolitik steckt. Mit dem Schlauchboot über das Mittelmeer, Libyen – Italien, die Todespassage. Michael Obert war dort. Zwischen Milizen, Menschenhändlern und Flüchtlingen. Da wo Journalisten nicht damit rechnen können zu überleben. Was hat er gesehen?
"Libyen von hieraus betrachtet – von Berlin – ist die Hölle. Für mich ist das die Hölle", sagt der Journalist.
Er hat sich nach komplizierten Absprachen mit vielen Milizenführern in die Hafenstadt Zawiya durchgeschlagen – 50 Kilometer westlich von Tripolis, dem Sitz der libyschen Einheitsregierung, an der UN und EU festhalten, obwohl sie überhaupt keine Kontrolle über das Land hat. Ihre Küstenwache soll den Schleppern das Handwerk legen, das Milliarden-Geschäft mit den Flüchtlingen unterbinden. Aber die Küstenwache? Wer ist das überhaupt? "Dann stellte sich in Zawiya heraus, dass die Küstenwache dort von einem libyschen Warlord geführt wird", berichtet Obert.

"Schweres Maschinengewehr, Raketenwerfer"

Commander Al Bija. Er und seine Männer haben vor zwei Jahren mit Waffengewalt die Macht über den Hafen der Stadt übernommen und spielen jetzt Küstenwache. Zu ihnen geht Michael Obert an Bord. Ihre Mission: Schleuser aufspüren, notfalls töten. 37.000 Flüchtlinge, sagt er, habe er schon aus dem Mittelmeer geholt.
Nachts finden sie, was sie suchen. Der Krieg, der sich Rettung nennt, beginnt: "Auf dem Mittelmeer, schwerer Seegang, kamen sie auf uns zu gerast", erzählt Obert. "Schweres Maschinengewehr, Raketenwerfer. Commander Al Bija hat nochmal irgendwie einen Wortwechsel versucht und die haben sofort das Feuer auf uns eröffnet. Also: tatatatata. Ich bin dann runter. Ich habe gesehen, wie links und rechts Männer umgefallen sind. Getroffen. Es gab viele Tote. Moises Saman, der Fotograf, und unser libyscher Übersetzer und ich, wir haben überlebt. Ich habe mir bei dem Sturz eine ganze Reihe Rippen gebrochen. Ja, es ist gerade noch einmal gut gegangen.

Katastrophale Verhältnisse


Nicht für sie. Bis zu 2.500 Dollar haben sie für die Überfahrt bezahlt. Aber wer von der Küstenwache zurück an Land gebracht wird, kommt in die libyschen Flüchtlingslager: "Nie in meinem Leben habe ich so schlimme Verhältnisse gesehen und erlebt wie in diesen Lagern, so Obert. "Die werden zweimal am Tag rausgelassen. Da wird ein Stahltor geöffnet, das mit Vorhängeschlössern gesichert ist, und wenn das Tor aufgeht, dann schlägt einem so ein Gestank entgegen. Sie bekommen morgens zum Frühstück ein bisschen was zu essen und so eine kleine Plastikflasche Wasser. Wenn sie die leer getrunken haben, müssen sie diese Flasche wieder voll pinkeln. Es ist die einzige Möglichkeit auf Toilette zu gehen, und wenn sie Stuhlgang machen, müssen sie das in Plastik- oder Papiertüten machen, die sie mit dieser Flasche dazu kriegen. Und erst am Nachmittag oder am Abend haben sie die Möglichkeit diese Tüte wieder zu entsorgen."

"Sie vergewaltigen uns"


Sie alle waren ihrem Ziel so nah. Eine halbe Autostunde von Zawiya entfernt, hat Michael Obert auch ein von Milizen kontrolliertes Frauen-Camp besucht: "Und dann kamen wir in diese Halle... auch wieder eine Betonhalle und da saßen 200 Frauen", berichtet er. "Und erst als die Wächter dann mal kurz rausgegangen sind, hat dann eine junge Nigerianerin all ihren ganzen Mut zusammen genommen und kam dann zu mir und hat geflüstert: Helft uns, helft uns, helft uns! Sie hatte einen Trainingsanzug an und drüber so ein Tuch und dann hat sie das auf die Seite gemacht und ihr ganzer Unterleib, da war alles verblutet bis runter an die Knie und sie hat immer wieder gesagt: Sie vergewaltigen uns, sie vergewaltigen uns. Ich habe sie dann gefragt: Wer hat das getan? Und dann hat sie gesagt: Alle... nacheinander."

UN-Mitarbeiter im Frauenlager

In diesem Horrorland der Milizen und Schlepper will die EU "Grenzmanagement" betreiben. Wir treffen Martin Kobler – bis vor wenigen Tagen UN-Sondergesandter in Libyen. Er hörte von Michael Oberts Berichten und schickte UN-Mitarbeiter in das Frauenlager: "Am letzten Mittwoch sind wir mit dem Konvoi dahingefahren und haben diese Frauen auch gesehen, berichtet Kobler. Sind aber auf dem Rückweg in eine Kontrolle gekommen und es wurde mit Granatwerfern eines unserer Autos zerstört. Den Leuten ist Gott sei dank nichts passiert, aber wir sind unter Beschuss gekommen und unsere Leute waren da relativ viele bange Stunden dann in der Hand dieser Milizen."

Roter Teppich für Simar Gabriel und 46 Millionen Aufbauhilfe

Außenminister Gabriel war auch schon da. Ausgerechnet im dem Männerlager, in dem auch Michael Obert war. Für ihn wurde der rote Teppich ausgerollt und die Flüchtlinge hatten es an diesem Tag richtig gemütlich…
Die EU braucht den Anschein stabiler Verhältnisse, keinen zerfallenen Staat, kein menschenrechtliches Desaster – und zahlt Millionen. "Die Frage, die sich europäische Politik und die deutsche Politik stellen lassen muss, ist: Finanzieren wir libysche Milizen damit sie – koste es was es wolle und zum Preis von Menschenrechten und europäischen Grundwerten – damit sie Flüchtlinge zurückhalten?", so Obert.
Der Türsteher der EU heißt libysche Küstenwache – weitere 46 Millionen Aufbauhilfe wurden gerade beschlossen. Gezahlt wird an eine Regierung, die keine Kontrolle über das Land hat. "Wir versuchen tatkräftig daran mitzuarbeiten in diesem Prozess des 'Nation Building' das Land wieder zusammen zu bekommen", so Obert, "und staatliche Autorität ist die einzige Autorität, die Flüchtlinge geregelt behandeln können und die auch die Migrationsströme regeln können."
Um Libyen zu stabilisieren braucht es viel Zeit. Zeit, die die Menschen in den Lagern nicht haben. "Sie schlagen uns, sie behandeln uns wie Vieh. Hier gibt es keine Menschenrechte. Niemand sieht uns hier", ruft ein Mann im Flüchtlingslager.
Bericht: Sven Waskönig
Stand: 09.07.2017 23:05 Uhr
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Freitag, 3. März 2017

Syrien

Am Mittwoch kam in Kulturzeit ein Bericht über diesen Film (nicht die Geduld verlieren, es dauert lang zur Website von dem Film), der ab dem 9. März ins Kino kommt.
Best Political film of the year at Filmfest Hamburg: «one of the most impressive and courageous in recent years» (Jury of the Friedrich Ebert Foundation)
Syriens "Tadmor" 
Es war einer der schlimmsten Folterkerker des Assad-Regimes: Wer nach Tadmor kam, erlebte die Hölle. Im Dokumentarfilm "Tadmor" von Monika Borgmann & Lokman Slim spielen Ex-Inhaftierte Erlebtes nach.

Der Bericht zeigte, wie die ehemaligen Häftlinge den Raum, in dem sie gefangen waren, für den Film nachbauten und dann Ausschnitte aus dem Film. Ich war nicht vorbereitet auf so etwas, auch wenn Folter in verschiedensten Formen zum Arsenal unserer Kulturen gehört und ich einiges mitgekriegt habe. Dies hier aber war auf fürchterliche Weise real, vielleicht, weil es keine Schauspieler waren. Ursprünglich sollten es wohl nur Interviews von Folteropfern sein, aber wenn ihnen die Worte fehlten, um ihre Erlebnisse zu schildern, dann standen sie auf und spielten es vor. Daraus entstanden dann die Spielszenen, die innerhalb von einem Tag und einer Nacht gedreht worden sind.
Einer sagt: "Im Film sind wir nicht in alle Details gegangen, wir wollen die Zuschauer nicht schockieren, nicht abschrecken. So haben wir uns für eine Auswahl der Foltermethoden entschieden, um diese für die Zuschauer erträglicher zu machen."
Und er lächelt zuvorkommend und verständnisvoll.
Es unterscheidet sich in nichts von dem, was sich in deutschen KZ's abgespielt hat und es geschieht jetzt und nur 3.500 km von hier. Soll man, um sich selbst zu schonen, nicht in so einen Film gehen?

Gestern war in der SZ ein langer Artikel über sieben Syrerinnen und Syrer, die Anzeige erstatten in Karlsruhe. Das bedeutet, dass fünf führende Generäle mit internationalem Haftbefehl gesucht werden, sollte ein Verfahren eingeleitet werden.



Es gibt in Deutschland ein Weltrechtsprinzip des Völkerstrafgesetzbuchs. Ich dachte nicht, dass in der Politik so was möglich ist.
WIKIPEDIA:
Nach dem Weltrechtsprinzip (auch Universalitätsprinzip) oder Weltrechtsgrundsatz ist das nationale Strafrecht auch auf Sachverhalte anwendbar, die keinen spezifischen Bezug zum Inland haben, bei denen also weder der Tatort im Inland liegt (sog. Territorialitätsprinzip) noch der Täter oder das Opfer die Staatsangehörigkeit des betroffenen Staates besitzen (sog. Personalitätsprinzip). Erforderlich ist hierfür aber, dass sich die Straftat gegen international geschützte Rechtsgüter richtet. Dies gilt insbesondere für solche Delikte, die unmittelbar nach dem Völkerrecht strafbar sind.
Das Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) hat das nationale deutsche Strafrecht an die Regelungen des Völkerstrafrechts, insbesondere an das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, angepasst. Es regelt in Deutschland die Folgen von Straftaten gegen das Völkerrecht. Das Gesetz ist am 26. Juni 2002 verkündet worden und trat zum 30. Juni 2002 in Kraft.
Mit der Eröffnung des Hauptverfahrens gegen zwei ruandische Staatsangehörige wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen sowie wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung Forces Démocratiques de Libération du Rwanda vor dem Oberlandesgericht Stuttgart am 1. März 2011 ist es erstmals zu einem Strafverfahren auf der Grundlage des Völkerstrafgesetzbuches gekommen. Der für die Verfolgung von Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch zuständige Generalbundesanwalt legt den beiden Angeklagten zur Last, im Jahr 2009 in den Kivu-Provinzen der Demokratischen Republik Kongo begangene völkerrechtliche Verbrechen der FDLR entgegen einer ihnen als Vorgesetzte obliegenden Pflicht nicht verhindert zu haben (Vorgesetztenverantwortlichkeit nach § 4 VStGB). Bis August 2015 fanden 317 Hauptverhandlungstage statt. Am 28. September 2015 fielen die Urteile: dreizehn Jahre Haft für Ignace Murwanashyaka und acht Jahre für Straton Musoni. Die beiden Angeklagten – der ehemalige Präsident der FDLR Ignace Murwanashyaka und der ehemalige 1. Vizepräsident der FDLR Straton Musoni – befinden sich seit November 2009 in Untersuchungshaft.
Es ist unklar, ob es je ein Gerichtsverfahren gegen Assad und sein Gesindel geben wird, aber ich könnte es mir vorstellen. Diese Leute wissen dann jedenfalls, dass sie sich auf diesem Planeten nicht mehr frei bewegen können.

http://linde127.blogspot.de/2017/03/aumeister.html  Weiter