Mittwoch, 8. Februar 2017

Räuber

Gestern "Die Räuber" im Residenztheater. Ich habe die Kritiken nicht verfolgt, das hole ich jetzt nach. Die SZ schreibt:
Rasches "Räuber"-Unternehmung ist tatsächlich eine Schau. Sie ragt so steil und gesamtkunstwerklich kühn aus dem Normalspielbetrieb heraus, dass man erst mal staunen und sich dann dazu verhalten muss. Love it or hate it. Fühle dich gefühlsmanipuliert, geplättet, erschlagen - oder von Schillers Versen auf Wort- und Maschinenwalzen "hehr" getragen: Diese Arbeit fordert heraus. Sie lässt einen nicht kalt.

Ich kämpfte bis zur Pause - zwei Stunden! - mit dem Drang, mich zu Boden gleiten zu lassen um mich von Sprechchören und einförmigem Pizzicato der Geigen und dumpfen Dröhnen der Trommel einwiegen zu lassen in einen tiefen Schlaf. Aber dort ist kein Platz, in diesem engen Theaterraum.
Die Inszenierung erschien mir einfach als ein "Erlebnistheater", ein Event. Das ist nicht das, was ich vom Theater will. Ich will Innenleben. Hier wurden die Texte runtergeschrien, natürlich mit Mikros, wegen der pausenlosen Musikuntermalung. Zum Glück hatte ich vorher einiges gelesen, so dass ich dem völlig sinnfreien Rezitieren einigermaßen folgen konnte, aber es war anstrengend. Und es erscheint mir sinnlos, so mit Text umzugehen, auch wenn es wirklich gut gemacht war.
Die Laufbänder waren schön, das unentwegte langsame Schreiten der Schauspielerinnen und Schauspieler erzeugte einen Pulsschlag, der einen - mich - schon hineinzog in die Sache, aber das war dann gut nach einer Stunde. Insgesamt vier Stunden? Ich musste gehen.

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Am Mittag war der Rest unserer Verhandlung gegen den Syrer, der mit dem Kilo Hasch erwischt worden war, da stand ein Gutachten aus, das aber nichts ergeben hatte. Es ging sehr schnell.
Der Angeklagte saß zusammengekrümmt auf seinem Stuhl und umklammerte mit einer Hand einen zerschlissenen Pappordner, in dem wohl seine Papiere waren. Als die Staatsanwälting ihr Plädoyer hielt, fing er an zu weinen und hörte nicht mehr auf, bis der Richter, nach dem Plädoyer des Anwalts, ihm das letzte Wort gab. Alle warteten, in der Stille hörte man nur sein Schniefen, er würgte an den Tränen, sprechen konnte er nicht.
"Sie schließen sich Ihrem Anwalt an?" schlug der Richter vor und der Angeklagte nickte heftig, nachdem er die Übersetzung gehört hatte.
Er bekam Bewährung - zum Glück waren Richter und Schöffin-Kollegin diesmal nicht schwierig - und er begriff es erst nicht und fuhr dann auf, als ihm klar wurde, dass er frei war. Jetzt begann ein Hin und Herr mit Entlassungspapieren, die Polizisten packten die Handschellen ein und sagten, im Transporter nach Stadelheim sei klein Platz frei, sie hätten heute so viele Gefangene, er musste also selber sehen, wie er hin kam um seine Sachen zu holen. Der Anwalt zückte seine Geldbörse und drückte im 20 Euro in die Hand: "Rufen Sie mich an, wenn was ist!"
Fünf Monate hatte er im Gefängnis gesessen, ich möchte nicht wissen, wie es ihm dort ergangen war. Ein Gemüsehändler aus Damaskus.

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Eine Mail von dem Förster aus unserem Dorf: er fragt sich seit über zwanzig Jahren, schreibt er, warum dieser kleine Wald nicht bewirtschaftet wird. Er ist zuständig für die Pflege der Privatwälder in unserem Dorf und macht das gerne auch für uns. Ich freue mich, er klang sehr vernünftig. Ich werde mit ihm telefonieren und bin gespannt, was er erzählt über den Brink.