Montag, 20. März 2017

Italien

Nun sitze ich wieder im Bus gen München. Die Sonne scheint, in zwei Stunden sind wir da.

Italien... es war ein wenig unwirklich. E. und ich fuhren am Mittwoch runter, es war einfach: wenig Verkehr, keine Baustellen, kein Stau - wir glitten quasi durch die Alpen hindurch, durch die ganz und gar flache Po-Ebene und strandeten dann an den Bergen des Pietmonts. 


In der Schweiz
Da schraubten wir uns hoch und höher, kreuzten kleine Städtchen, schauten über Berge, Weinberge und Berge mit Burgen. Alles wirkte still und friedlich, grade im Aufwachen begriffen mit Frühlingsblüten, Vögeln und einem warmen Lüftchen. Sehr schön war das.

Pietmont
Wir kamen am späten Nachmittag bei dem Haus an, tadellos geleitet von E.'s Navi. Ich erkannte den schmalen Weg mit den Steinmauern wieder, das Tor stand offen, den Haustürschlüssel hatte ich dabei.


Haustür

Das Haus innen: ein Schock. E. meinte, das sei bei alten Leuten ganz normal, aber ich war entsetzt. Nicht nur die feuchte Kälte, sondern der Schmutz, das Durcheinander, seine ganze Art, das Haus herzurichten... ich hatte zu kämpfen. Zum Glück war E. ganz unbefangen und munter, sie kennt da ganz andere Wohnungen von alten Menschen.
Wir gingen erstmal zu den Schweizern rüber, die zehn Minuten entfernt, über den Berg wohnen. Ganz, ganz wunderbare Menschen! Mit wunderbarer Nusstorte, die eine Spezialität des Ortes ist. Dort in Cortemilia wohnt der anerkannte König der Nusstorten des Pietmonts. Ein Künstler. Und er wird zu Recht gelobt: sie ist grandios, diese Nussorte.
Wir haben dann angefangen, ein wenig aufzuräumen, zu putzen und vor allem: A. hatte uns gezeigt, wie wir den großartigen Ofen befeuern konnten, Holz gab es genug.


Außerdem bestellte er den Heizungsmonteur, der die Heizung wieder in Gang setzte, wofür er mit ein paar Werkzeugen belohnt wurde. Alles ganz schnell und unkompliziert, ich pendelte ständig zwischen Entsetzen und Entzücken und wusste die meiste Zeit nicht so recht, wie mir geschah. Es war diese Mischung aus Familiengeschichte und ländlicher Idylle, die so schwer zu vereinbaren war.
Die ersten Tage war es richtig warm, wir richteten uns auf der Terrasse ein:

Terrasse nach Westen
Balkon Süd-West



Wir schoben uns am zweiten Abend bequeme Sessel vor den Ofen und heizten, was das Zeug hielt. E. improvisierte wunderbar mit den kargen Möglichkeiten in der Küche und machte großartiges italienisches Essen.
Was das Besondere an dem Haus ist, das ist der Blick:

Blick nach Süden
Abendsonne über Cortemilia
Cortemilia
Das macht etwas mit einem, dort zu sitzen und immer den Blick schweifen zu lassen. So eine Weite, so eine Stille. Nur die Vögel in den Bäumen ums Haus singen, aus dem Städtchen unten und von den Höfen rundherum hört man die Hunde bellen und Hähne krähen. Es ist schlicht, einfach und irgendwie ein wenig abgeschieden.


Küche und Wohnzimmer

Dann die Katastrophe: am Donnerstagnachmittag wollten wir runter in den Ort. Ich zog die Haustür zu, die sich etwas sperrig zeigte. Erst in dem Moment, als es zu spät war, wurde mir klar, warum das so war: ich hatte am Abend vorher den Eisenstab, der als Sperre diente, benutzt und danach nicht wieder hochgehängt in seine Vorrichtung. Er rutschte also runter als ich die Tür zuzog und rastetete ein in sein Loch. Damit war die Tür zu. Dicht. Nur noch von innen zu öffnen. Alle Fenster: vergittert. Die Balkontüren mit Doppelglas.
Das war der entscheidende Schock. WIr fuhren natürlich sofort zu A., er kam, er werkelte, ein Bauer vom Feld nebenan sah es, kam dazu und wusste die Löstung: die Tür hochheben und aushebeln. Und es gelang, wobei ein Scharnier kaputt ging. E. fuhr mit A. runter in den Ort und holte ein Neues. Es wurde montiert und der tüchtige Bauer mit Werkzeugen und Leitern entlohnt. Alles gut, alles wunderbar - aber ich war einfach geschockt und wusste: ich verkaufe dieses Haus. Das war ein Zeichen, ein sehr klares. E. versuchte noch, daggegen zu halten, weil sie meinte, das Haus sei ein Juwel, aber für mich war es klar: es geht nicht.

Garten hinterm Haus


Tür von Terrasse hinters Haus

Den Freitag verbrachten wir unten im Ort. Es war Markt und wir waren zum Stammtisch der Schweizer eingeladen. Das sind witzige Typen, die Schweizer Pensionäre im Piemont.
Wir kauften schön Gemüse und durchwanderten danach den kleinen Ort bis hoch auf die Burg - es war sehr schön warm und sonnig. Der Ort ist winzig und ein wenig ärmlich, etliche alte Häuser verfallen leider.

Im Ort




Auf der Burg

Zum Friedhof
Am Freitagabend schlug das Wetter um, ein kühler Wind kam auf. Wir nutzten das für eine kleine Tour nach Alba, das mir nur wegen des überirdisch gutem Tiramisu Eindruck machte, das wir dort kauften. In Alba sitzt die Firma Ferero. Die Italiener wissen, wie man Süßigkeiten macht, da wollen wir an Lob nicht sparen.
Und Samstag durchstreiften wir die Berge.

E. am Berg
Es ist still und ländlich, die Leute sind freundlich, die Berge steil und in der Ferne sieht man sogar die französischen Alpen. Überall blühten kleine Primeln und alles war bereit, in den Frühling aufzubrechen. Eine wunderbare Luft hat es dort

Am Abend dann der absolute Höhepunkt: ein Essen mit A. und M. bei einem Agriturismo - ein ländliches Lokal, dass eigene Erzeugnisse verarbeitet und darum Subventionen bekommt.
M. hatte einen Tisch bestellt, das ganze Lokal war ausgebucht  (mit Italienern). Alle bekamen dasselbe Essen, nur den Wein durften wir aussuchen. Erstmal kam die Köchin und begrüßte uns mit Handschlag. Dann saßen wir vier stundenlang in interessante Gespräche vertieft und wieder und wieder tauchte nebenbei die Kellnerin auf und brachte grandiose Speisen. Richtig, richtig gutes Essen. Mehrere kleine Vorspeisen, dann zweimal Nudeln, dann Gemüse und zweimal Fleisch, dann verschiedene Desserts, ein Dessertwein, Espresso und am Schluss stellten sie eine Flasche Grappa auf den Tisch. Ich kann nur jedem empfehlen, in so einer Situation winzige Mengen zu essen, denn es hört nicht auf mit den Gängen.
Und es kostete insgesamt dann 30 Euro pro Person.

Der Abschied von A. und M. war traurig und herzlich. Sie werden das Haus leerräumen lassen und einem Makler übergeben. Wir werden sehen, was draus wird. E. bedauert es, sie fand, es sei ein richtig guter Platz. Sie machte dann für mich und das Haus zum Abschied ein schönes Ritual, wo wir darum baten, dass das Haus gute Leute anziehen möge - gut für das Haus und gut für die Umgebung.

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